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Ralf Hauptvogel, Drebkau

Graustein 1988 - Erinnerungen an einen Waldbrand19.02.13 17:22
Auf Anregung von Andreas H. habe ich ein paar Erinnerungen über einen mich prägenden Einsatz zusammen getragen. Es ist ein erster Entwurf, daher bittte ich eventuelle Fehler zu entschuldigen, Rückmeldungen nehme ich gern entgegen.

Großbrand Graustein 1988
- Erinnerungen -

Das Frühjahr 1988 war von angenehm trockenem Wetter gekennzeichnet. Nach 6 Jahren durfte ich zu dieser Zeit endlich mal wieder in meiner Heimat sein. Die Armeezeit lag schon ein paar Jahre zurück und auch das Studium war fast geschafft. Nur die Ingenieurarbeit musste noch geschrieben werden.

Also studentisch früh zum Mittag aufgestanden und noch schnell etwas gegessen, bevor es an die Arbeit ging. War ja ohnehin Samstag, und zwar der 14. Mai. Ich wollte gerade das 3. Blatt in die Schreibmaschine spannen, als der vertraute Ton der Alarmsirene durchs offene Fenster schallte. In diesen Tagen übrigens nichts Ungewöhnliches.
Also ab zur Feuerwehr. Die Handlungen waren ob der vorangegangenen Einsätze schon Routine, die knapp 300 m bis zum Feuerwehrhaus - mit der damaligen Fitness - auch schnell überwunden. Am Haken 22 angekommen, in Hose und Stiefel gesprungen, die Jacke übergeworfen, Hakengurt mit Maske und den Helm gegriffen und ab aufs Fahrzeug.

Der gute TLF 16 auf W50 brauchte noch seine Zeit, bis er warm war und auf Geschwindigkeit kam. Also erst mal sehen, wer noch auf dem Fahrzeug war. Ach, Dixi ist mal wieder unser Fahrer, Achim, unser Wehrführer, sitzt vorn rechts. Hinten neben mir noch Achims Sohn und einer der beiden Brüder Schön.

Nach dem wir die erste Information von der Leitstelle des Gaskombinats erhalten hatten, wurde das UFT-Funkgerät auf den Kanal des Kreises Spremberg umgestellt. Obwohl wir unseren Stützpunkt im Ort Schwarze Pumpe hatten, gehörten wir doch als Kommandostelle 03 zur betrieblichen Freiwilligen Feuerwehr des Gaskombinats Schwarze Pumpe.
Als Einsatzziel bekamen wir einen Waldbrand bei Graustein genannt. Also ab Richtung Spremberg und einmal quer durch die Stadt. Die Bevölkerung war so etwas in den Tagen schon gewohnt und entsprechend problemlos verlief die Fahrt. Als wie jedoch Spremberg in Richtung Graustein verließen, konnten wir die Rauchwolke sehen, und uns wurde klar, das wird kein Routineeinsatz. Der Ostwind zeigte uns eine mächtige dunkle Wolke, die Böses erahnen ließ.

Kurz vor Graustein der erste Einweiser, unser Weg ging in Richtung Umspannwerk Graustein. Dieses lag mitten im Wald und von hier aus gingen die Hochspannungsleitungen in Richtung Norden ab. Sie versorgten neben der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik auch so wichtige Betriebe, wie z.B. das Eisenhüttenkombinat Ost (EKO) in Eisenhüttenstadt. Der Knoten im Energienetz war also für die DDR von größter Bedeutung. Das wussten wir aber in dem Moment noch nicht.

Im Umspannwerk angekommen (wir durften gleich in das ansonsten abgesperrte Gelände fahren), erreichte uns unser Auftrag: Ihr habt das Umspannwerk zu halten!

Ihr, das waren 8-10 TLF und ein LF8-TS auf LO. Wie ich Jahre später erfahren sollte, kam die LO-Besatzung aus dem kleinen Ort Kausche, der auch mal meine Heimat werden sollte.

Die Merkwürdigkeit des Einsatzes bestand schon darin, dass wir nicht gleich etwas zu tun hatten. Das Feuer war noch knapp einen Kilometer in östlicher Richtung entfernt. Also erst einmal umschauen und die Lage peilen. Das Umspannwerk, ca. 500 m lang und 250 m breit, war nicht mit Bäumen bewachsen. Die paar kleinen Kiefern waren nicht der Rede wert, jedoch stand auf den Flächen teilweise hüfthohes Gras und Unkraut.

Die TLF wurden im Gelände verteilt, der LF besetzte die Zisterne und richtete eine Tankerbefüllung ein. Nicht jedoch, ohne auch eine Rundumverteidigung zu errichten, lag die Zisterne doch nahe an der Umzäunung und damit am Wald. Dieser war ein ca. 20 Jahre alter Mischwald mit einem hohen Anteil von Kiefern. Bereits in den Jahren 1959, 1976 und im Vorjahr hatte es hier in dem Bereich große Waldbrände gegeben.

Der Einsatz der Dachmonitore verbot sich von selbst, waren doch die Hochspannungsleitungen teilweise nur 4-5 m über unseren Köpfen. Weil so viele wichtige Verbraucher daran hingen, konnten die Leitungen auch nicht einfach abgeschaltet werden. Da aufgrund des guten Wegenetzes keine großen Strecken überwunden werden mussten, wurde entschieden, mit 1-2 C-Längen direkt vom Fahrzeug zu arbeiten. Also die Abgänge alle gleich mit B-C-Übergangsstücken bestückt. Für die akute Phase wurden auch die Düsen auf den C-Rohren gelassen. Die Masken mit Filtern hatte schon jeder in Bereitschaftsstellung vor der Brust.

Noch sahen wir nur die Rauchwolke und hörten, wie sich das Feuer uns nähert. Zeit, um noch was zu essen und vor allem zu trinken. Allen war klar, dass das Feuer uns zeitweise einschließen und es bestimmt nicht lustig werden würde. Aber bis dahin blieb sicher noch eine gute halbe Stunde. Blödes Gefühl, es kommen zu sehen und nichts dagegen machen zu können.

Das Feuer kommt...

Das erste, was uns erreichte, war die Wolke aus Rauch, Dreck und Asche. Sie brachte auch die erste Überraschung mit sich - und was für eine. Durch einen mir nicht bekannten Grund wurden die Leistungsschalter der Anlage ausgelöst. Die Lichtbogen waren das Eine, aber noch beeindruckender oder soll ich lieber sagen einschüchternder war das dazugehörige Geräusch. Den Schaltvorgang begleitete ein ohrenbetäubender Knall, den man mit einer Explosion vergleichen kann. Das hat wohl jeden Kameraden dort beeindruckt.

Das Feuer kam dann mit einer Geschwindigkeit, die es jedem unmöglich machen würde, davonzulaufen. Zumindest über längere Strecken und in dem Gelände. Dazu noch ein Geräusch, als würde einen ein D-Zug überrollen, und der Wind wehte plötzlich mit Sturmstärke aus allen möglichen Richtungen. Bäume explodierten regelrecht und selbst Laubbäume wurden in Bruchteilen von Sekunden zu brennenden Fackeln.

Jetzt hatten wir gut zu tun. Von einer Brandstelle zur anderen. Immer wieder Stellungswechsel und umbauen. Zwischendurch schnell den Tank wieder gefüllt und weiter ging es. So kam es, wie es kommen musste. Ich stand als zweiter Mann am Strahlrohr, als der Schlauch von der Kupplung abriss. Ergebnis war eine komplette Dusche meiner Vorderseite. Das sollte es aber noch nicht gewesen sein. Kurze Zeit später war ich gerade dabei, eine C-Leitung umzulegen, als der Mann am Strahlrohr den Befehl zu einem Stellungswechsel bekam. Er drehte sich um und muss mich in meinem tarnfarbenen Kampfanzug wohl übersehen haben. Jedenfalls wurde auch meine Rückseite einer Wasserstrahlbehandlung unterzogen. Aber ehrlich, im Eifer des Gefechts, und hier traf der Begriff absolut zu, hat einen das nicht wirklich beeindruckt. Bei der Hitze war man ohnehin ruck-zuck wieder trocken.

Nach gefühlten 30 Minuten hatte uns das Feuer passiert und wir konnten zur Restablöschung unseres Abschnittes übergehen. Also Düse ab und die Brandflächen ordentlich schwarz gemacht. Entsprechend sahen wir dann aus. Plötzlich tauchte da ein Herr im Anzug auf, in dem Moment eine fast surreale Erscheinung. Es war wohl der Werkdirektor des EKO. Er wollte mal nachsehen, warum er keinen Strom mehr für sein Werk bekam. Ist aber doch scheinbar alles gut gegangen.

Damit sollte aber für uns noch lange nicht Feierabend sein. Für uns lautete der Befehl: Melden am Forstamt in Spremberg.

Wir verließen also das Umspannwerk über die einzige Zufahrtsstraße in Richtung Norden zur F 156 (heute B 156 Spremberg-Graustein). Auf eine Länge von über 500 m war das Feuer erst vor wenigen Minuten direkt über diese Straße gelaufen. Ich glaube, einigen Kameraden ist erst hier bewusst geworden, in welcher Situation sie sich nur wenige Minuten vorher noch befunden haben. Unterstützung wäre auf diesem Weg keinesfalls möglich gewesen.

Kleine Pause?

Das Forstamt war damals noch in der Muskauer Straße in Spremberg, etwa da, wo heute ein Autohaus seine Niederlassung hat. Dort befand sich mittlerweile die Einsatzleitung. Also unseren Gruppenführer abgeworfen und einen Parkplatz gesucht. Das war nicht so einfach. Tummelten sich dort doch ganze Kolonnen an LOs, die zur Unterstützung angerückt waren. Was bei uns zu der Annahme führte, dass wir jetzt vielleicht doch mal eine kleine Pause bekämen.

Weit gefehlt, wir sollten gleich weiter in die Slamener Heide. Dort, wo heute die großen Windkraftanlagen stehen. Achim, das ist nicht dein Ernst? Wieso? Na, hast du mal auf die LOs geschaut, die hier alle stehen? Stimmt, die haben alle schon Verpflegung. Ein Mann mitkommen, wir organisieren was.

Im Abschnitt angekommen, war klar, dass es sich hier nur noch um Restablöschung handelt. Wenn..., ja wenn der Wind nicht dreht. Das war jetzt die Hauptgefahr, denn die Flammenfront hatte sich kurz vor der Spree totgelaufen und war zum Halten gekommen. Deshalb wurde auch hier das Fahrzeug gewendet und somit in Fluchtrichtung gestellt. Ein Standardverfahren, das uns schon manches Mal den Hintern gerettet hat.

Es war jetzt später Nachmittag und wir begannen von der Kante des Feuers ins Innere der Brandfläche mit der Restablöschung des uns zugewiesenen Bereiches. Irgendwann tauchten dann zur Unterstützung auch Soldaten des Panzerregiments 14 der NVA auf. Der Großteil GWDler mit der entsprechenden Motivation.

Je dunkler und später es wurde, desto weniger Aktivitäten waren im Wald zu vernehmen. Es waren nur noch ein paar kleine Stellen zu löschen. Die größte Gefahr zu der Zeit war eigentlich, nicht einen der Soldaten zu überfahren, die sich ausgerechnet auf den Waldwegen zur Ruhe gebettet hatten. Die Kräfte waren nach den zurückliegenden Stunden mehr als verbraucht, und es hatte den Anschein, dass auch das Feuer keine große Lust mehr verspürte. Wir wussten aber, dass es nur für den neuen Tag Kraft tanken wollte, aber das sollte nicht mehr unser Problem sein. Am nächsten Morgen kamen andere Kameraden unserer Feuerwehr zur Ablösung. So landeten wir dann irgendwann im Laufe des Vormittags - nach einer ausgiebigen Dusche - in unseren heimischen Betten und konnten den entgangenen Schlaf nachholen.

Ein oder zwei Mal bin ich dann wohl noch zu einer 24 h-Schicht zur Restablöschung vor Ort gewesen.
An meiner Abschlussarbeit ist währenddessen verständlicherweise leider nicht viel geworden. Irgendwie habe ich sie dann aber doch rechtzeitig fertig bekommen, und das Jahr ist zu einem der erfolg- und erlebnissreichsten meines Lebens geworden.

Damals konnte keiner von uns ahnen, dass wir nur 4 Jahre später, nicht weit entfernt, einem der größten Brände gegenüberstehen würden, den die jüngere Lausitzer Geschichte je gesehen hat.

Ralf Hauptvogel
Februar 2013

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