Hallo Rico,
die Bauordnungen sind nicht auf ingenieurmäßigen analytischen Vorgehen entstanden. Sie ist eher eine Auflistung von Erfahrungswerten. Daher erkennt bei genauer Betrachtung an mehreren Stellen Widersprüche. oder inkonsequnete Vorgaben.
Wieso lässt man die Wärmestrahlung zu?
Nun, die Landesbauordnungen regeln in erster Linie den Wohnungsbau. Schaut man in Altbauten (vor dem 2.WK) dann findet man oftmals viel Glas in den Wohnungstüren. Nach dem 2. Weltkrieg ging die Tendenz jedoch immer mehr zur vollwandigen Wohnungseingangstür ohne Glas um die Privatsphäre zu schützen. Im Mehrfamilienneubau findet man heutzutage i.d.Regel gar kein Glas, sondern nur noch vollwandige Türen. Das Problem hat sich sozusagen selbst erledigt, so dass man im Wohnungsbau mit der Aussage dichtschließenden Türen zufrieden ist und keine Regelungsbedarf (derzeit) sieht.
Man mutet dem Gebäudenutzer im übrigen auch zu, an einer 1m breiten vollverglasten Tür vorbeizulaufen und die Wärmestrahlung für eine halbe Sekunde auszuhalten. Dann kommt ja wieder die schützende Wand. Ist das akzeptabel?
Man akzeptiert sogar das Zerspringen! Bei etwa 280 Grad Celsius passiert das. Man akzeptiert das, da immer noch wirksame Löscharbeiten möglich sind (rechtzeige Eintreffen der Feuerwehr vorausgesetzt) und eine Ausbreitung über eine notwendigen Flur = brandlastfreier Bereich) erstmal so (theoretisch) nicht möglich ist. Ein Brand hinter einer 2qm großen Öffnung kann beherrscht werden. Die Feuerwehr kann von dort sicher agieren. Anders wäre es, wenn man die komplette Flurwand eines notwendigen Flures in normalen Glas hätte. Würde diese zerspringen, wäre eine Rettung von anderen Personen durch den Flur, das Halten und Bekämpfen des Feuers erheblich schwieriger. Hinzzukäme, der Feuerwehrmann stünde schlagartig im Brandbereich. Dieser Gefahr wird durch die Anforderung an die Flurwand (F30 i.d.Regel) vorgebeugt.
Und wenn die Türe, wie im Regelfall bei Wohnungen nicht aus Glas, sondern vollwandig ist, der Bewohner bei der Flucht die Tür geschlossen hat, stellt eine Wohnungstür (Regelfall = keine Galstür9 keine erhöhte Gefahr dar.
Glastüren findet man dann eher heute in Büro- und Verwaltungsgebäuden. Grenzen nun mehrere Nutzungseinheiten an den notwendigen Flur und sind diese < 200qm, so sind erst einmal Glastüren zulässig. Es ist eine ungeschriebene Annahme, dass die Reaktionszeit der dort arbeitenden schneller ist, da diese dort nicht schlafen und im Regelfall keine besonderen Personegruppen (Kinder, Alte, in der Selbstrettung eingeschränkte Personen) dort sind. Man kann treffflich darüber streiten. Schaut man aber in die Statistik, dann sind vorrangig die Brände im Wohnungsbau die, bei denen Tote oder schwere Rauchgasverletzte zu beklagen sind.
Das beschriebene Bürogebäude, in dem ich regelmäßig Glastüren finde, ist ein Gebäude besonderer Art und Nutzung (da keine Wohnungsbau) und hier kann der VB, der Sachverständige, die Baugenehmigunsgbehörde Erleichterungen oder besonder Anforderungen zulassen oder erheben.
Ich hoffe, dass so ein bißchen verständlich wird, dass die Landesbauordnungen kein mathematisch-logisches Werk sind, sondern in vielen Fällen die Reaktion auf negative Erfahrungen. Wo keine negativen Erfahrungen sind, wird in der Regel auch kein Gesetz verabschiedet/geändert.
Ein gutes Beispiel hierfür könnten auch die Wämredämmverbundsysteme sein. Hier gibt es in der Bauordnung nur ganz grobe Anforderungen. Es ist anzunehmen, sollte es zu medienwirksamen Fällen mit Personenschäden kommen, wird man reagieren. Vielleicht bleiben diese Fälle aber auch aus. Dann wird der Gesetzgeber (=Politik) hier nichts oder nur Kleinigkeiten ändern.
Ein besonderer Fall ist der Altbau (vor dem 2.WK) mit Holztreppe und schönen großen Glastüren. Hier gilt erst einmal Bestandsschutz. Ein neues Gesetz, dass z.B. hier Türen mit Brandschutzverglasungen fordern würde, würde dem Bestandschutz widersprechen. Hinzukäme, dass ein zulassungskonfomer Einbau schwierig wäre. Und wer die Preise kennt, der kann sich vorstellen, dass dies einen Aufschrei von sehr veilen Vermietern zur Folge hätte. Hier geht kein politisch Verantwortlicher so schnell ran. Brände mit Todesfolgen sind oftmals nur regional und dann auch nur kurz in den Medien, bis auf wenige Ausnahmen.
So ist das...
Grüße
Marco Schramm
Beitrag inhaltlich zustimmen / ablehnen |