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RubrikEinsatz zurück
ThemaÜberdruckbelüftung vs. Injektorbelüftung27 Beiträge
AutorMarc8 M.8, Heidenheim a. d. Brenz / Baden-Württemberg392945
Datum25.03.2007 16:54      MSG-Nr: [ 392945 ]19763 x gelesen

Hallo Forum,

wie versprochen dann mal meine persönlichen Erfahrungen zum Thema:

Wenn es um Überdruck- vs. Injektorlüfter geht scheiden sich oft die Geister und ich höre immer wieder von Feuerwehren, dass sie zwischen Injektor- und Überdruckbelüftung keinen Unterschied feststellen konnten, während andere eher negative Erfahrungen mit dem ein oder anderen Verfahren gemacht haben.

Diese unterschiedlichen Meinungen kommen dadurch zustande, dass die zu belüftenden Gebäude sehr großen Einfluss auf die Stärken und Schwächen dieser Systeme haben. Wenn jetzt, z.B. im Übungsbetrieb ( oder bei dem ein oder anderen Einsatz ) der eigene Lüfter ausprobiert wird, dann hängt das Ergebnis ( neben der korrekten Anwendung der Geräte -> techn. und taktisches Grundlagenwissen ) sehr stark von der Gebäudestruktur ab. Bei Übungen wird oft am eigenen Gerätehaus oder einem bestimmten Übungsobjekt belüftet. Hier darf man nicht den Fehler machen und dieses Ergebnis als allgemeingültig ansehen.
Um die Unterschiede zu verdeutlichen möchte ich mal ein paar Punkte aufzeigen

Handhabung:

Die Unterschiede beider Verfahren dürften ja bekannt sein und wenn man schaut, auf was bei der Überdruckbelüftung alles geachtet werden muss ( richtiger Abstand des Lüfters zur Zuluftöffnung, richtiges Größenverhältnis Zuluft- <-> Abluftöffnung, Gebäude muss relativ dicht sein ) könnte man auf den Gedanken kommen, das die Handhabung eines Injektorlüfters einfacher ist. Immerhin entfällt hier schon mal der Grundsatz, dass die Zuluftöffnung vom Luftstrom komplett abgedeckt werden muss. Dieser Grundsatz hat beim Überdruckbelüftungsverfahren ( ÜBV ) schließlich wesentlichen Einfluss auf die Effektivität ( wobei es mit etwas Übung kein Problem ist, den korrekten Abstand zu realisieren - Probleme gibt es bei großen Öffnungen, hier kann aber auch ein Überdrucklüfter zur Injektorventilation eingesetzt werden, siehe weiter unten ) .

In der Praxis zeigt sich aber oft, dass es genau anders herum ist und bei schwierigen Verhältnissen
( große, verwinkelte Gebäude mit langen Zuluftwegen ) eine effektive Überdruckbelüftung leichter erreicht wird als eine Entrauchung mittels Injektorverfahren.
Das liegt mit daran, dass die Leistung der Injektorlüftung auf einer hohen Luftgeschwindigkeit basiert. Jedes Hindernis, dass die Geschwindigkeit des vom Lüfter erzeugten Luftstrahls abbremst, mindert die Effektivität der Belüftung. Sehr problematisch ist z.B. eine Wand die kurz hinter der Zuluftöffnung liegt
(Bsp.: Gleich nach der Haustür macht der Flur einen Knick oder Haustür geht auf und gleich dahinter ist eine Wand/Garderobe ). Hier wird schon mal ein Teil des Luftstroms reflektiert und diese Luft steht dann im Gebäude nicht mehr zur Verfügung ).

Ein Problem für das ÜBV sind dagegen zu große Abluftöffnungen oder nicht abänderbare Abluftöffnungen an der falschen Stelle, wobei es hier dann auch mit Injektorbelüftung nicht mehr möglich ist gezielt zu entrauchen ( letzterem kann unter Umständen noch mit einem zweiten, im Gebäude platziertem Lüfter begegnet werden ) .

Was sagt das jetzt für die Praxis?

Wie groß der sichtbare Unterschied zwischen Injektorlüftung und ÜBV ist, hängt wie geschrieben stark von der Gebäudestruktur und der Rauchgrenze im Gebäude ab.
Grundsätzlich kann man bei der Injektorbelüftung im Rauch eine Tunnelbildung feststellen d. h. dort wo der Luftstrom durchgeht habe ich schnell freie Sicht, an Wänden und in Ecken bleibt der Rauch länger stehen ( bei quadratischen Räumen ist das wesentlich stärker ausgeprägt als in rechteckigen, schlauchförmigen Räumen ).

Beim ÜBV kann man je nach Situation an der Rauchgrenze eine leichte Tunnelbildung feststellen ( ich würde eher von ?Eindellung? der Rauchgrenze sprechen ), die aber bei weitem nicht so stark ausgeprägt ist ( auch der Überdurcklüfter bildet einen gewissen Kernstrom ). Dafür werden Bereiche, die nicht direkt in der Luftströmung liegen, schneller entraucht. Die Sicht in Raumecken und an Wänden verbessert sich also schneller.

Diese Unterschiede treten umso stärker auf, je größer Räume und Gebäude sind. Es gibt auch Situationen, bei denen man fast keinen Unterschied sieht. Wie Christian Fischer schon geschrieben hat, beruhigt sich der Luftstrahl des Injektorlüfters auf seinem Weg durchs Gebäude, Verwirbelungen werden abgeschwächt und der Luftstrahl kann auffächern.
Letzteres habe ich dieses Jahr schon während einer Gerätevorführung erlebt, die ich bei einer BF in Hessen abhielt. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten fächerte der Luftstrahl eines Injektorlüfters so weit auf, dass er eine Tür, die nach ein paar Metern und einer Ecke kam, vollständig abdeckte. Aus der Injektorlüftung wurde also im Gebäude eine Überducklüftung. So etwas kann durchaus vorkommen.
Ich stand dann ziemlich blöd da, weil sich der Kunde natürlich zu recht fragte, warum er neue Überdrucklüfter beschaffen soll, wenn der alte Injektorlüfter augenscheinlich das gleiche Ergebnis abliefert ( that?s life... ). Diesen Gefallen tut einem der Injektorlüfter aber natürlich nicht immer, ich würde hier eher von einer Ausnahme sprechen.


Thema Verwirbelungen:


Mit beiden Lüftern sorge ich für Rauchvewirbelungen, bei Injektrolüftern wesentlich stärker als mit Überdrucklüftern.
Kritisch sind Injektorlüfter vor allem bei offensiver Vorgehensweise ( Belüftung wird mit dem Erstangriff vorgenommen ), wenn der Eingang ins Gebäude schon die Rauchgrenze darstellt.

Bei einem Injektorlüfter ( oder einem Überdrucklüfter, der zu nah an der Tür steht ) kann hier beobachtet werden, wie sich im oberen Bereich der Eingangsöffnung eine Gegenströmung bildet, also Rauch austritt.
Wenn jetzt der schnelle, gebündelte Injektorstrahl in eine Rauchschicht trifft, verwirbelt er diese sehr stark.
Heisse Rauchgase treten an der Oberkante der Öffnung aus ( kommen dem Angriffstrupp also quasi entgegen ) und wenn es hier zu einer Durchzündung kommt, können in diesem Bereich auch Flammen austreten.
Genau das ist der BF Paris bei ihren Versuchen mehrfach passiert, wonach das Thema Injektorlüfter dort dann kein Thema mehr war.
Aus diesem ( und anderen Gründen ) wird in den USA auch überwiegend ÜBV und nicht Injektorlüftung angewendet, dort wird ja auch eher offensiv belüftet.

In Deutschland habe ich von solchen Problemen bisher noch nicht gehört, was natürlich auch daran liegt, dass die Mehrheit der Wehren ihre Lüfter eher defensiv ( in einer späten Einsatzphase ) einsetzt.


Thema Totraumbelüftung:

Ich habe mich in letzter Zeit ( auch bedingt durch den Unfall in Budapest ) verstärkt mit der Belüftung von Räumen beschäftigt, die nicht über Abluftöffnungen verfügen ( das können einzelne Räume oder z.B. komplette Untergeschosse sein ).
Hier können Schlauchlutten, die in den jeweiligen Raum gelegt werden, als behelfsmäßige Abluftöffnung dienen.

Bei meinen bisherigen Versuchen habe ich festgestellt, dass diese Methode mit ÜBV in den meisten Fällen sehr gut funktioniert hat, bei Injektorlüftern konnte ich eine wesentlich schlechtere Wirkung feststellen ( je nach Gebäude 0 bis ca. 30% der Leistung die das ÜBV brachte ).

Was mir noch fehlt ist ein Versuch in einem richtig großen Gebäude, wobei ich davon ausgehe, dass hier das Ergebnis noch eindeutiger zugunsten des ÜBV ausfällt.


Mein persönliches Fazit:

Es gibt Situationen, da funktionieren beide Systeme aufgrund der örtlichen Bedingungen nicht.
Es gibt Situationen, bei denen stellt man nur geringe Unterschiede fest.
Es gibt Situationen, bei denen das ÜBV wesentlich effektiver ist als eine Injektorbelüftung.

Ich persönlich habe bei dutzenden Tests, die ich in den letzten Jahren durchgeführt habe, keine Situation erlebt, in der ein Injektorlüfter ein besseres Ergebnis brachte als das ÜBV. Selbst Überdrucklüfter die ( auf dem Papier ) geringere Luftleistungen hatten als die im Test eingesetzten Injektorlüfte waren diesen, was das Endergebnis angeht ( gezielte, gleichmäßige und verwirbelungsarme Entrauchung - und das möglichst schnell ) oft überlegen.

Kurzes Beispiel:

Vorletzten Dienstag habe ich bei einer Wehr im Lkr. Heidenheim eine Ausbildung zum Thema abgehalten und im Rahmen einer Übung wurde ein ehemaliges Lagergebäude komplett vernebelt.
Das Gebäude war zweistöckig in Massivbauweise errichtet, im EG befanden sich eine normale Eingangstür und ein Schiebetor.
Die Verbindung ins OG bestand aus einer Treppe und einem offenen Fahrstuhlschacht, im OG waren als Abluftöffnungen mehrere Fenster vorhanden.

Belüftung EG mittels Injektorlüfter ( Zuluftöffnung Eingangstür, Abluftöffnung das halb geöffnete Schiebetor ): Die Belüftung funktionierte gut, kein großer Unterschied zur Überdruckbelüftung.

Dann sollte das komplett vernebelte OG ?entraucht? werden.

Das Ergebnis mit Injektorbelüftung war ernüchternd. Der Effekt war gleich null, der Injektrostrahl verpuffte irgendwo wirkungslos in den Tiefen des Gebäudes. Auch verschiedene Größen der Abluftöffnung ( Fenster entsprechend geöffnet oder geschlossen ) brachte keine Besserung.
Das gleiche mit ÜBV funktionierte einwandfrei.

Man sah wieder, dass bei einfachen Standardsituationen ( kurze Luftwege im Gebäude ) kaum ein Unterschied sichtbar war, sobald es schwieriger wurde, gab es mit dem Injektorlüfter Probleme.
Das konnte ich bei einer ganzen Reihe von Tests feststellen.


Alternative Anwendungsmöglichkeiten:

Kann mit Injektorlüftern eine Überdruckbelüftung durchgeführt werden? Theoretisch ja, der Lüfter muss nur weit genug von der Zuluftöffnung weggestellt werden, bedingt durch den eher geradlinigen Luftstrahl und den meistens geringen Lüfterdurchmesser unter Umständen sehr weit.
In der Praxis scheitert das oft an den Platzverhältnissen vor Ort.

Dazu kommt, dass die hohen Luftgeschwindikeiten bei Injektorlüftern eine hohe Propellerdrehzahl voraus setzen, was sich zum einen in der Lautstärke der Geräte wieder spiegelt und sich zum anderen auch nicht gerade positiv auf die Lebensdauer des Materials auswirkt.

Kann mit Überdrucklüftern eine Injektorlüftung durchgeführt werden? Ja, in einigen Fällen geht es auch nicht anders ( wenn aufgrund der Platzverhältnisse oder der Größe der Zuluftöffnung der Luftstrahl diese nicht abdecken kann ).

Zwar arbeiten die meisten Überdrucklüfter im Vergleich zu Injektorlüftern mit einer niedrigeren Luftgeschwindigkeit ( daher auch weniger Verwirbelungen ), aber auch mit einem solchen Lüfter ist eine Belüftung nach dem Injektorprinzip möglich ( inklusive der damit verbundenen Nachteile ). Das habe ich in einer Reihe von Versuchen festgestellt.

Ich hoffe, das konnte ein wenig zur Beantwortung der Frage ?Überdruck- vs. Injektorlüftung? beitragen.

Gruß

Marc



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