Hallo,
geschrieben von Thobias Schürmann:
Ich muss dir vollkommen zustimmen [...]
Ich nicht!
Das größte Problem der Wehrpflicht ist doch momentan, daß eine Wehrgerechtigkeit defakto längst nicht mehr gegeben ist. Das liegt nicht mal unbedingt an den Musterungskreterien, sondern daran, daß nur noch bis T2 gezogen wird (als ich dran war wurde grade T7 eingeführt, aus Gründen eben jener Wehrgerechtigkeit...). Das hat wiederum seine Ursache darin, daß die Bundeswehr längst nicht mehr alle unterbringen und bezahlen kann, die bei konsequenter Rekrutierung bis T5, T6, T7 zu beschäftigen wären. Einerseits wird bzw. wurde die Wehrpflicht jedoch bis dato mit der Begründung Nachwuchsgewinnung beibehalten, andererseits und meiner Meinung nach vor allem wegen des Bedarfs an Zivildienstleistenden. Weder das eine, noch das andere sind aber eigentlich Sinn und Inhalt der Wehrpflicht.
Ist die Wehrpflicht schon umstritten, so sehe ich für eine allgemeine Dienstpflicht schon gar keinen Konsens in Politik und vor allem Gesellschaft. Und das paßt auch gar nicht ins momentane "System". Wie kann man z.B. vor dem Hintergrund, "der Wirtschaft" ausgebildete Kräfte früher zur Verfügung stellen zu wollen / müssen, Dinge wie das Abitur nach 12 Jahren und den berüchtigten Bachelor durchpeitschen (durchpeitschen vor dem Hintergrund, daß viele dieser Neuerungen durchaus sehr Mangelhaft umgesetzt werden), und auf der anderen Seite eine allgemeine Dienstpflicht fordern, wo doch der Zeitpunkt des Eintritts ins Berufsleben solch ein Problem ist? Wie kann ich auch Frauen da einbeziehen wollen, wo die Geburtenrate - zumindest bei gut bis hervorragend ausgebildeten Frauen - längst ein großes Problem darstellt? Mich wundert in diesem Zusammenhang übrigens auch, daß an der Wehrpflicht (eine allgemeine Dienstpflicht steht wie geschrieben momentan kaum zur Diskussion) besonders von Seiten der Union so vehement festgehalten wird, da sie den eben beschriebenen anderen verfolgten Zielsetzungen so erheblich entgegen steht?
(Nicht) Zuletzt ist eines der maßgeblichen Probleme auch das Geld. Mag dies bei den Zivis noch funktionieren, weil sie relativ günstig Stellen auffüllen, die regulär schwerer zu finanzieren wären, sieht es bei der Bundeswehr umgekehrt aus, man kann sich, jedenfalls mit der aktuellen finanziellen Ausstattung, alle potentiellen Wehrpflichtigen schon lange schlicht nicht mehr leisten und für eine einigermaßen sinvolle Beschäftigung der verbliebenen, nach der Grundausbildung, feht ebenfalls das Geld (siehe dazu auch SPON: Die große Leere). Deswegen ist die momentane Diskussion um die Wehrpflicht ja aufgekommen, deswegen führt der Verteidigungsminister grade einen solch bemerkenwerten Sinneswandel vor (22.07.: "Guttenberg beharrt auf Wehrpflicht", 27.07.: "Unionsstreit um Wehrpflicht: Guttenberg verteidigt Truppenreform"). Ist für die Wehrpflicht (mit anhängigem Zivildienst) in ihrer jetzigen Form als "Light-Version" schon kein Geld da, wovon soll dann eine allgemeine Dienstpflicht bezahlt werden? Die übrigens auch in den angedachten Organisationen des KatS etc. zu leichten Problemen führen könnte: Die Dienstpflichtigen müßten auch ausgerüstet und vor allem ausgebildet werden, was wiederum kostet.
Naja, vielleicht befreit man sich endlich mal ausschließlich von Profit und Geld denken und nimmt mal andere Werte als höchstes und wichtigstes Gut.
Ja, vielleicht wäre das schön, aber siehst Du das tatsächlich irgendwo? Vielleicht wäre es auch ein lohnenswerter Ansatz sich davon zu lösen, im sozialen Bereich Lücken mit günstigen Zivis zu füllen, sondern sich mal ganz allgemein Gedanken über eine angemessene(re) Bezahlung sozialer Berufe zu machen? Wer kann es Berufseinsteigern verdenken, sich für eine Bankkarriere statt für die Altenpflege zu entscheiden? Wie sieht die Entlohnung von Ärzten im Vergleich mit der von Dipl. Kaufleuten aus? Was ist in den letzten 10, 15 Jahren in der Welt passiert und wurde immer mit der "Globalisierung" als unausweichlich begründet?
Eine allgemeine Dienstpflicht paßt m.E. ein bißchen schlecht in diese Welt. Man mag zurückgehenden ehrenamtlichen Einsatz und mangelnde soziale Kompetenz allgemein beklagen, darüber wundern muß man sich angesichts der gesellschaftlichen Realitäten aber doch wohl kaum!
Gruß
Daniel
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