hallo,
ein interessanter Beitrag dazu:
Wiebke Thönißen
16. April um 13:39 ·
+++ Zum Brand der Kathedrale Notre-Dame +++
Unfassbar, welchen Unsinn man in den Medien und auch in Brandschutz-Fachgruppen über den Brand in Paris und das Vorgehen der Feuerwehr lesen muss.
- Der Dachstuhl der Notre-Dame war komplett aus Holz. Ein riesiger Scheiterhaufen in 40-60 m Höhe, 800 Jahre oder länger vorgetrocknet und vermutlich auch einigermaßen staubig. Dazu eine Dacheindeckung aus Blei, die ab etwa 300 Grad an der Party teilnimmt. Die Dachkonstruktion dürfte wie in allen Kirchen auf Belüftung ausgelegt gewesen sein, damit dort nichts modert. Das ergibt im Brandfall perfekte Ventilationsbedingungen. Eine Abschnittstrennung hat es nicht gegeben. Macht in Summe ein Feuer, das sich schneller ausbreitet als jede noch so gut trainierte Feuerwehr arbeiten kann.
- Die Installation einer automatischen Löschanlage in einem solchen Gebäude ist technisch nahe am Unmöglichen (Stichpunkte: Höhe, Wasserbevorratung, Rohrleitungen, Wirkflächen, zusätzliche Lasten) und nur mit massiven Eingriffen in denkmalgeschützte Bauteile und auch die Optik zu realisieren.
- Unterhalb des Dachstuhls befindet sich ein Steingewölbe. Dieses konnte zumindest teilweise vor dem Einsturz bewahrt werden, unter anderem deswegen, weil man nicht tonnenweise Wasser vom Hubschrauber oder Flugzeug (da sind sie wieder, die Löschbomber ...) dort draufgeworfen hat. Auf diese brillante Idee sind unter anderem Donald J. Trump, der stern und ntv Nachrichten gekommen.
- Die wichtigste Aufgabe bei einem Brand ist die Menschenrettung. Das heißt, die ersten Kräfte mussten zunächst einmal den Innenraum und alle Nebenräume erkunden, um sicher zu sein, dass die Kirche wirklich geräumt ist. Das Kirchenschiff allein hat Abmessungen von 130 m x 48 m. Auf den Seiten der Pariser Feuerwehr wird berichtet, dass in der Anfangsphase des Brandes gemäß Alarmplan viele Kulturgüter aus dem Kirchenschiff gerettet wurden. Das alles bindet Personal und kostet Zeit, aber man sieht es auf irgendwelchen Videos, die vom Dachfenster aus dem Nachbarviertel gedreht wurden, nicht. Natürlich sind Wasserwerfer und Hubrettungsfahrzeuge weitaus beeindruckender als Feuerwehrleute, die einen alten Kerzenständer aus der Kirche tragen, aber nicht immer sind die am besten sichtbaren Maßnahmen auch die wichtigsten Maßnahmen. Daraus jetzt zu konstruieren, dass die Feuerwehr zu spät eingegriffen haben soll, wie es beispielsweise der stern tut, ist eine bodenlose Frechheit gegenüber allen, die dort ihr Leben riskiert haben.
- Mehrere Medien wundern sich, warum die Pariser Feuerwehr nicht so hohe Leitern hat, dass man an den Dachstuhl herankommt, und davon am besten auch noch mehrere und alle im Umkreis von 3 Minuten um die Kirche stationiert. Nun: Den Großteil der innerstädtischen Brandeinsätze sind Brände in deutlich niedrigeren Gebäuden. Ein Hubrettungsfahrzeug mit größerer Rettungshöhe ist aber langsamer, wiegt mehr und braucht mehr Platz zum Fahren und Abstützen, kurz: Es wäre für normale Gebäudebrände ungeeignet. Jede Feuerwehr beschafft für den ersten Abmarsch Fahrzeuge, die den wahrscheinlichsten und häufigsten Einsatzfall abdecken, und das ist nun mal kein Kirchenbrand in 60 m Höhe. Und wenn eine Feuerwehr für einen unwahrscheinlichen Einzelfall Spezialfahrzeuge beschafft, steht sie unter hohem Rechtfertigungsdruck, solange nichts passiert.
- Ja, das Gerüst hat gehalten. Spoiler: Die Illuminaten oder die jüdische Weltverschwörung waren das nicht. Warum? Nun, das dürfte mehrere Gründe haben. Zum ersten sind Gerüste aus hohlen Profilen errichtet, bei denen die Luft im Inneren als schlechter Wärmeleiter wie eine Art Dämmung gewirkt hat. Zum zweiten sind die Profile recht kurz, was die Wärmeausdehnung in Grenzen hält. Und zum Dritten sind die Profile in mehrere Richtungen gegeneinander ausgesteift und befestigt - und das mit vernünftigen Befestigungsmitteln, da das Gerüst ja auch einen Sturm aushalten müsste. Zum Vierten war keine Last außer dem Eigengewicht auf den Profilen.
Zusammenfassung: Den Pompiers de Paris gebührt nichts als Respekt für diese grandiose Leistung. Es ist beschämend, dass viele Mitmenschen, darunter auch Fachleute, und die Medien diesen herausragenden Einsatz kritisieren, ohne sich auch nur ansatzweise mit der Bausubstanz und/oder der Einsatztaktik auseinanderzusetzen.
MkG Jürgen Mayer, Weinstadt
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Geändert von Jürgen M. [18.04.19 08:13] Grund: = nur für angemeldete User sichtbar = |