Ring frei? – Knock down für den Inhalt vor der ersten Runde!

Der Vergleich von Multistar, faktisch einem nicht genormten Hubarbeits-Lösch- oder -Rüstwagen und einem genormten Hubrettungsgerät scheitert an sich selbst, erstaunt über die Machart und den Inhalt, dazu bleiben beim Leser viele Fragen offen. Dass ich mit der Meinung nicht alleine bin, haben eindeutige Kommentare in einem Umfang und in einer Deutlichkeit ergeben, die ich selten so von Kollegen zu einem Fachartikel gehört habe.

Schon der erste Absatz lässt keinen Zweifel offen, was am Schluss stehen wird bzw. soll. Es tritt an: Der Multistar im „stattlichen Kampfgewicht, ... leuchtende Warnfarbe,... bullige Erscheinung, ... Einsatzpraxis“, gegen die DLK 23/12 in „klassischem Feuerwehrrot, mit filigran wirkender Leitertechnik, mit vermeintlich optimalem Kampfgewicht ... jungfräulich, da noch nie im Einsatz“.

Zur im Artikel aufgeworfenen Frage, wer denn überhaupt schon mal einen Leiterpark zur Rettung benutzt habe, wundert mich die absolute, negative Erkenntnis der Kollegen in Oststeinbek. Es gibt m.E. immer wieder Ereignisse (zuletzt einige aus dem Ausland auch im Video zu sehen), wo es zu teils sehr dramatischen Rettungen über den Leiterpark gekommen ist.

Die Selbstrettung von Einsatzkräften über eine Klappe im Korb ist eine neue Idee. Bisher werden Rettungsschläuche an z.B. Teleskopmasten (TM) dazu genutzt, um schnell andere Personen evakuieren zu können. Ob das mit den Einsatzkräften wirklich funktioniert, weiß ich nicht. Ich wage aber zu vermuten, dass es mit kompletter PSA zur Brandbekämpfung (dann auch im Korb hoffentlich mit Atemschutzgerät!) schwierig werden könnte. Über eine nähere Betrachtung auch der Zulässigkeit seitens des Herstellers (Gewicht der Person mit Ausrüstung, Durchmesser für den Real-Feuerwehrmann mit PSA und PA und ggf. scharfen bzw. kantigen Gegenständen (Fw-Gurt, -Beil/-Axt, Leinenbeutel mit Klemmhaken usw.) wäre ich dankbar.

Grundsätzlich ist bei Kombifahrzeugen noch zu beachten: Es können nur Teile der Beladung eines RW, LF 16/12 bzw. HLF 20 verlastet werden. Bei Löschfahrzeugen sind das aber die Fahrzeuge, die bei städtischer Bebauung (Voraussetzung für die Notwendigkeit eines entsprechenden Hubrettungsgerätes) auch notwendig sind (also mit tragbaren Leitern, Sprungrettungsgerät usw.).

Ist an einem Kombifahrzeug etwas defekt, fällt sowohl das Hubarbeitsgerät, als auch das Löschfahrzeug, bzw. der Rüstwagen (oder was auch immer) mit aus – auch dazu findet sich kein Wort im Artikel.

Wenn ich mir die veröffentlichten Eckdaten so ansehe, scheint sich technisch in den letzten 10 Jahren grundsätzlich nicht viel geändert zu haben. Ich erlaube mir daher der Einfachheit einen Konter in ähnlicher Form. Ich vergleiche Hubarbeits-Löschgeräte mit Drehleitern mit Korb und mit Teleskopmasten – letzteres fehlt im veröffentlichten Artikel. Um es leichter erkennbar zu machen, verwende ich neben den Zahlen auch Farben („rot“ für Disqualifizierung, weil wesentliche baurechtliche Vorgaben nicht eingehalten werden, „orange“ für Verwendung fraglich aber im Einzelfall bzw. u.U. möglich, führt aber zu Einschränkungen im Betrieb bzw. der Ausrüstung).

Technik

Kombi-fahrzeug

DLK 23/12

TM 30

Reichweite1 wie DLK 23/12 bzw. TM 30

12

1

1

Gewicht im Sinn der DIN 14090 (Flächen für die Feuerwehr, also Feuerwehrzufahrten und Aufstellflächen, max. 16 t zGM, 10 t Achslast)

0

1

03

Geschwindigkeit in Anfahrt, Abstützung, Aufbau bis zum Erreichen einer definierten Stelle. (Das im Artikel bewusste Nicht-Betrachten der ggf. fahrzeug- und aufbauspezifisch höchst unterschiedlichen Rüstzeiten halte ich für falsch!)

0

1

0

Nutzung als Rettungsgerät „Leiter“ bzw. Leiterbrücke (egal ob aus dem 4. Stock oder zu einem Schiff).

0

1

04

Folgen für die Stellplätze in den Feuerwehrgerätehäusern (Länge, Höhe, z.T. auch Gewichte!)5

0

1

0

Fazit für die Technik

1

5

1

 

Taktik

Kombi-fahrzeug

DLK 23

TM 30

Maschinist kann seine Aufgaben voll erfüllen, weil er sich auf nichts anderes konzentrieren muss (d.h. er kann beim LF die Pumpenbedienung übernehmen und bei der Ausgabe von Geräten unterstützen)

0

1

1

Einsatzmöglichkeiten bzw. -varianten von LF und Hubrettungsgerät (es ist schon technisch schlicht unmöglich, die Ausrüstung eines HLF in einem Kombinationsfahrzeug unterzubringen, außer man geht auf noch größere Fahrgestelle!)

0

1

1

Fazit für die Taktik

0

2

2

 

Völlig unklar ist mir, wie man einen Vergleich machen und auch noch veröffentlichen kann, bei denen das eine Gerät an 2 von 3 Versuchen mangels Eignung gar nicht teilnimmt, aber trotzdem 2:1 gewinnen kann! Betrachtet man die reinen Fahrzeiten aus „Versuch 1“ hätte der Multistar offensichtlich auch beim 2. Versuch verloren, wenn man die Leiter nicht als Brücke eingesetzt hätte, sondern mit dem Korb die Personen einzeln abholt. Gleiches gilt übrigens für „Versuch 3“. Die Rettung von Gehbehinderten über den Korb wird nicht dadurch beeinflusst, ob es sich um eine „Leiter“ oder einen „Mast“ handelt, sondern nur dadurch, ob und wie der Korb dafür nutzbar ist (Größe, Erreichbarkeit/Zugänglichkeit, Belastbarkeit) bzw. man ggf. eine Trage am Korb befestigen, oder eine Last anhängen kann. In all diesen Fällen können Drehleitern schon einige Zeit Lasten tragen, die durchaus im Bereich der Teleskopmasten liegen.

Taktische Betrachtungen im Zusammenhang mit der Sicherheit von Trupps im Innenangriff müssen je nach echter Einsatztaktik mit Kombifahrzeugen zusätzlich durchgeführt werden, diese fehlen im Beitrag völlig. Welche Feuerwehrangehörige (FA) von den 6 Personen maximaler Besatzung übernehmen welche Aufgaben? Fahrzeugführer und Maschinist (in Doppelfunktion für TM und LF (bzw. RW)) sind „gesetzt“, bleiben 4 über. Davon geht ein FA in den Korb, verbleiben 3, davon werden 2 Angriffstrupp, verbleibt einer (Wasserversorgung?). Wer stellt den Sicherheitstrupp? Das Folgefahrzeug?

Ich bestreite im Gegensatz zur frühzeitig beendeten „5-Jahres-Studie“ bei ganzheitlicher Betrachtung als Ingenieur im Gesamtzusammenhang grundsätzlich die Eignung von derartigen Kombifahrzeugen mit Mast und Pumpe (oder und Seilwinde ....) als Hubrettungsgerät der Feuerwehr für den Erstangriff!

Verwendbar sind solche Fahrzeuge m.E. dagegen gut z.B. als Kombi-Werkzeuge nach schweren Sturmschäden, weil Arbeitsplattform und geeignete THL-Ausrüstung in einem Fahrzeug vereint sind, um in Höhen arbeiten zu können und wenig Platz in ggf. durch liegende Bäume bzw. Äste sowie beschädigte Fahrzeuge eingeschränkten Park- und Aufstellraum zu haben – und wo die Zeit weniger eine Rolle spielt. Ob es Sinn macht, dafür soviel Geld auszugeben, muss jeder Träger selbst entscheiden. Ich persönlich miete dann im Einsatz lieber mehr Hubarbeitsgeräte zu den einzelnen sonstigen Einsatzfahrzeugen und bilde „Teams“, die gemeinsam eingesetzt werden.

Für den Einsatz als Hubrettungsgerät bevorzuge ich auf jeden Fall auch weiterhin Drehleitern mit Korb. (Und ich bin mehr als gespannt, wie sich künftig die größeren Feuerwehren entscheiden werden, die versuchsweise vor Jahren einen Teil der Hubrettungsgeräte durch Teleskopmasten ersetzt haben. Ich vermute aber angesichts einiger Rückmeldungen, dass man auch da eher wieder Richtung „DLK“ tendieren dürfte....)

 

Ulrich Cimolino

Dipl.-Ing. Sicherheitstechnik

Düsseldorf

 

1 Muss für jedes Gerät im Einzelfall betrachtet werden, da es erheblich Unterschiede im Benutzungsfeld gibt. Grundsätzlich kann es hier aber ein „Unentschieden“ geben.

2 Stark abhängig von der jeweiligen Ausführung. Je länger der Arm, umso weniger Gewicht bleibt für andere Beladung.

3 Die meisten TM 30 haben mit den Gewichtsvorgaben erhebliche Probleme, ob das künftig mit Euro VI-Fahrgestellen überhaupt noch möglich, ist stark zu bezweifeln. Es gibt mit etlichen „leichten“ TM, die die DIN 14090 erfüllen, erhebliche technische Probleme im Fahrgestellbereich und starke Einschränkungen in der Beladung.

4 Nur, wenn Leiter angebaut und die in der jeweiligen Lage auch benutzbar.

5 Insbesondere an älteren Standorten kann es Probleme mit den Abmessungen, den Hallenböden etc. geben, wenn die Normwerte überschritten werden!