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Klaus Bethge, Isernhagen

"Die Heide brennt.." (1975)02.04.09 16:58
Die Heide brennt..

Ich kann ihn riechen, den Rauch, ihn sehen, wie er am Horizont hoch wabert..
Aschepartikel bedecken meinen Gartentisch auf der Veranda, während sich die Hitze dieses Sommers wie aus einem Höllenschlund entflogen über das Land legt..

Es ist der August des Jahres 75, ein, was die Temperaturen betrifft, Jahrhundertsommer, der fast jegliche Aktivitäten lähmt . Die Luftfeuchtigkeit beträgt nur noch 20 Prozent, eine Nachtkühle gibt es nicht
Schweiß rinnt in Bächen über das Gesicht und lässt die Augen brennen, ein jeder hat nur eine einzige Sehnsucht: ein kalte Dusche..

Schon seit gestern lasse ich das Radio Dauer laufen, der Fernseher wird zu jeder Nachricht angeschaltet. Die Lüneburger Heide brennt in einem Maße, welches bis jetzt in Deutschland völlig unbekannt war..

Es ist eine Katastrophe, die fast folgerichtig auftritt und durch Dummheit, Inkompetenz und Desorganisation erst dieses Ausmaß annehmen kann.
Dinge die letztlich zum Tode von sechs Kameraden sowie eines Polizeibeamten führen..

Vorweg gegangen ist ein verheerender Sturm im Jahre 1972, der schwerste Schäden in den Wäldern hinterließ, Schäden, die immer noch nicht beseitigt sind, Bruchholz, das immer noch herumliegt und den idealen Nährboden für Feuerbrücken bildet..

Die Lüneburger Heide ist ein mehr oder weniger zusammenhängendes Gebiet aus Nadelwäldern, die reinen Heideflächen sind selten geworden..
Das Brandgebiet liegt in etwas im Regierungsbezirk Lüneburg, konzentriert auf die weitere Umgebung der Stadt Celle. Der Regierungsbezirk besteht aus ca.
30 % Waldfläche..

Ich ahne, was jetzt auf mich zukommt, ich bin dabei, ein paar Sachen zusammenzupacken, um zum Obermeisterlehrgang in die Landesfeuerwehrschule Celle zu fahren..

Dort angekommen finden sich so nach und nach die Kollegen aus Hannover, Osnabrück, Hildesheim und Wilhelmshaven ein, wir stellen die Koffer in die Halle, die Sekretärin hat uns gesagt, wir sollen erst mal warten, es sei zur Zeit keiner da. Wir schauen uns an, ich versuche etwas zu erfahren, aber eine Auskunft bekomme ich nicht, die Lage ist völlig außer Kontrolle geraten. Nur soviel steht inzwischen fest, EIN Feuer gibt es nicht, inzwischen ist ein Wind aufgekommen und treibt die Feuerfront vor sich her, wie er es für richtig hält.

Große geteilte Feuerinseln treiben die völlig überforderten Kräfte fast zur Verzweifelung. Sie agieren nicht, sie können nur, so gut als möglich, reagieren.

. Die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren, die an diesem zweiten Tag noch überwiegend alleine kämpfen jagen dem Feuer praktisch hinterher, es springt nach hier, es springt nach dort..

Plötzlich taucht in der Halle eine völlig verschmutzte, rußverschmierte Figur auf, kaum zu erkennen in der ehemals blauen Kombination, das Gesicht bedeckt durch eine getrocknete Ascheschicht, die nun langsam aufbricht und es unmöglich macht, hier eine Gemütsregung zu erkennen. ‘‘Hallo Kollegen, mein Name ist S., ich bin einer der Ausbilder, nehmen Sie ihre Koffer, gehen Sie auf ihre Zimmer, um 18.00h Abendessen, wir sehen uns dann morgen!“

Ein Schwall von Fragen prasselte auf diese müde Gestalt hernieder, so einfach lassen wir uns nicht abspeisen, wollen nun Genaueres wissen, und was wir da hören, lässt uns nichts Gutes ahnen..

Offensichtlich scheint schon jetzt, dieses bestätigt sich später auf traurige Weise, das totale Chaos ausgebrochen zu sein, viele Häuptlinge und keine Indianer..

Teilweise weiß die Leitung (welche? Es gab viele, die in der Anfangsphase vor sich hinwurschtelten), nicht einmal, welche Wehren in welchen Bereichen eingesetzt sind.

Zu diesem Zeitpunkt noch liegt die Gesamtleitung in der Hand des Kreisdirektors, eines alten Weltkrieg II –Haudegens mit Ritterkreuz, der sich beharrlich weigert, überörtliche Hilfe zu holen und die Planung in die Hände von Fachleuten abzugeben. Rechtlich ist er auf der sicheren Seite, denn befehlsgebende Stelle ist der sogenannte Hauptverwaltungsbeamte, aber sein Versuch, mit alten Stabsoffiziersmethoden diesen Krieg zu gewinnen war von Anfang an zum Scheitern verurteilt..

Flugzeuge des Niedersächsischen Feuerwehr-Flugdienstes, eine Gruppe von Feuerwehrleuten mit Fluglizenz, die sich für solche Fälle zusammen geschlossen haben, kreisen ununterbrochen und melden immer neue Brandherde..

Die Lage wird immer chaotischer, das Innenministerium mit dem damaligen Innenminister Gross entzieht dem Kreisdirektor die Befehlsgewalt (dem Vernehmen nach soll es ein sehr lautstarke Auseinandersetzung gegeben haben) und übernimmt die weitere Planung.

Jetzt kommen neue Einheiten der Bundeswehr, des Grenzschutzes, der englischen Armee, Technisches Hilfswerk, DRK etc. in das Brandgebiet. ABER, die Sache wird keineswegs besser, denn keiner der Kommandeure ist bereit, sich mit seinen Männern einem gemeinsamen Kommando zu unterstellen, bis dem Innenminister der Kragen platzt und er die Gesamtleitung dem General des Grenzschutzkommandos (Damals trugen die Beamten des BGS noch militärische Dienstgrade) überträgt..

Wir sitzen auf unseren Zimmern, spekulieren, raten, was aus unserem Lehrgang wird, legen unsere Einsatzkleidung bereit, denn uns war es klar, dass auch wir bald eingesetzt werden..

Bald erreicht uns die traurige Nachricht, dass es den ersten Toten gegeben hat, - der Kreisbrandmeister Meyer von der Wehr Wahrenholz erliegt auf der Einsatzfahrt zu einem Brandgebiet einen Herzinfarkt..

Langsam sickern weitere Nachrichten durch, - der Wind dreht, das Feuer läuft in ein großes Moorgebiet, Feriengebiete werden geräumt, ein Holzwerk ist unmittelbar bedroht, die Bahnlinie Hannover – Uelzen wird geschlossen, weil das Feuer sich da entlang ausbreitet und eine lange durchgehende Front bildet, dort auch das erste Haus in Flammen aufgeht..

Improvisieren ist angesagt, die Bahnfeuerwehr verlädt kurz entschlossen ein Tanklöschfahrzeug (TLF 16) auf einen Güterwagen, angehängt der Wassertender einer Lokomotive und fährt damit die Bahnstrecke ab., um so in die Brandbekämpfung einzugreifen

Wir sehen es im Fernseher, die alte Hausbesitzerin, eine Ur-Ostpreussin sitzt vor ihren Trümmern und klagt den Journalisten ihr Leid: „No, was wird schon sein?? Habe ich verloren schon einmal mein Eigentum, wird schon weitergehen!“

Die Brandbekämpfung ist fast hilflos, Tanklöschfahrzeuge fahren sich fest und werden von Bergepanzern der Bundeswehr wieder frei geschleppt, eine geordnete Kommunikation findet nicht statt, da es ein einheitliches Funknetz nicht gab, eine Leitstelle neben der nächsten fungiert..

Inzwischen werden Kräfte aus dem gesamten Bundesgebiet heran geführt, in den ersten Tagen sind etwa 2500 Männer im Einsatz, am Ende werden es über 10.000 sein..

Einer der Hauptsammelpunkte für die ankommenden Kräfte ist die Landesfeuerwehrschule Celle..

Erster Auftrag für uns: Küche besetzen, Kaffee kochen und Brote bereiten..

Hier kommt es zu einigen, im Nachhehrein lustigen Szenen: Ein Badenser kommt nachts um drei Uhr auf mich zu und bittet um etwas Kleingeld, er müsse mal telephonieren. Die armen Kerle sind von ihren Arbeitsstellen abgeholt und, ohne das sie Gelegenheit haben, noch mal schnell nach Hause zu gehen, um sich vorzubereiten, alarmmäßig gen Norden gefahren..

Der Mann kommt mit einem langen Gesicht zurück. Er erzählt mir, er habe versucht, seine Frau anzurufen und ihr erklären, wo er nun sei. Leider kam er nicht dazu: ‚Du alter Säufer, wenn du nicht gleich aus der Kneipe nach Hause kommst, dann ist was los!“ Ehe er den Irrtum aufklären konnte war das Geld alle!

Ich habe von dem inzwischen eingetroffenen Verwaltungsleiter den Auftrag, eine Küchenkladde zu führen, in der ich grob eintragen soll, welche Wehren mit wie viel Leuten verpflegt wurden. Das klappt auch ganz gut, bis mir ein Witzbold zurief: ‚‘Feuerwehr Helgoland, 10 Mann!“, und ich das auch brav hineinschreibe..

Ein paar Tage später treffe ich, gerufen, auf den Verwaltungsleiter, der mit etwas verwirrtem Gesicht über meiner Kladde saß und fragte, ob die FW Helgoland mit der Fähre oder mit einem Fischerboot gekommen sei! Nun ja, etwas verrissen!

Gegen vier Uhr morgens darf ich mich etwas auf das Bett legen, um 6.30 h werde ich wach gerüttelt: ‚‘Los, fertig machen! Du musst raus!“

Ich setzte mich auf die Bettkante, starre gegen die Wand und versuche, mich zu erinnern, wo ich überhaupt war, versuche die bleierne Müdigkeit loszuwerden.
Ach ja, richtig, Celle!

Schon jetzt überfällt mich die Tageshitze wie von einem heißen Haartrockner, rein in die Kombi, schnell durch die Küche gelaufen, einen Becher heißen Kaffee der Marke „Schlag mich tot“ heruntergestürzt, ein Butterbrot von dem nächsten Tablett geschnappt (Für wen das fertig gemacht wurde?? Interessiert doch keinen!) und auf den Hof, wo der Schirrmeister der Schule und ein weiterer Kollege aus Hannover schon warteten.. Wo wir hin sollten?? Der Schirrmeister sagt es mir, kenne ich nicht, egal, aufgesessen und der Celler Kollege fährt los..

Bald sind die Straßen verstopft, viele rote Fahrzeuge kommen entgegen und in unsere Richtung die obligatorischen Fahrzeuge der Katastrophentouristen..

Mir wird es zu dumm, ich schalte das Blaulicht an, der Schirrmeister guckt mich von der Seite an, sagt aber nichts..

Irgendwo, JWD (‚‘Jan Weit Draußen‘‘) ein kleines Dorf, ein Zelt neben einer Dorfgaststätte, das Ganze eine Art Einsatzleitung. ‘‘Wo kommt Ihr her??“ „Feuerwehrschule!“ „Wo wollt Ihr hin?“ Da und da. „Ach so, ja , wissen wir auch nicht, aber fahrt mal da und da hin, haltet den Waldrand nass, dass das Feuer da nicht wieder durchläuft!“ Drei Mann, ein Tanklöschfahrzeug, ich fasse es nicht, aber hier geht es nach dem Prinzip Hoffnung: Sie werden schon wissen, was sie tun!

Blick auf die Karte (eine Wanderkarte, die sich der Schirrmeister noch schnell aus seinem privaten PKW geschnappt hatte) und durch Waldwege, herum um die dort abgestellten Fahrzeuge der bereits seit zwei Tagen im Einsatz befindlichen Kameraden herum. Mann oh Mann, wie sehen die aus?? Gesichter, die wie Totenköpfe einer Teufelsmesse aussehen, Männer, die nur noch taumeln..

Unmittelbar hinter einem Fahrzeug, die Männer liegen teils im Gras, teils sitzen sie schlafend auf dem Fahrzeug, brennt es fröhlich vor sich hin. ‘‘Leute, macht doch mal den Kram aus!“

Der Maschinist schaut mich mit einem absolut leeren und abwesenden Blick an, setzt dann aber das Fahrzeug zurück und seine Leute zerren den Schnellangriffschlauch heraus und machen den Kleinbrand sehr schnell dunkel.

Später begreife ich, dass hier so ein kleines Feuer bereits mit Verachtung gestraft wird..

Ich sehe mich um, schaue über die Fläche und sehe in einiger Entfernung Bergepanzer, die Bruchholz, welches da vom großen Sturm herumliegt, zusammenschieben, die einen Wundstreifen schaffen, um dem Feuer den Weg zu versperren.

Im Nachhehrein muss man sagen, das gerade diese Bergepanzer ihr Gewicht in Gold wert waren. Ohne sie hätte die Geschichte sehr viel länger gedauert..

Wir fahren weiter, neben uns ein großes Waldstück, welches etwa 100 Meter rein voll brennt..

Das kann ja gut werden.. Wir halten neben den dort anwesenden Kameraden (und einer Feldküche des DRK), orientieren uns, wo wir nun hin sollen, als plötzlich der Ruf erschallte:
„Achtung, Bomber!“

Ich denke gerade noch über den merkwürdigen Humor mancher Zeitgenossen nach, als es plötzlich in der Luft fürchterlich zu dröhnen beginnt, dann ein großes gelbes Etwas über mich weg fliegt, während kurz hinter ihm eine Wolke aus Wasser herunter klatscht! Was war DAS denn??

Es ist einer der beiden Wasserbomber, die von der Protection Civile der Franzosen zur Hilfe geeilt sind, eine CANADAIR CL215, die praktisch nonstop zum gesperrten Steinhuder Meer bei Hannover fliegen, dort im Überflug 5,5 Kubikmeter Wasser aufnehmen und diese dann, oftmals Flughöhe fast Null, über dem Feuer abwerfen..

Über diese Wasserbomber werde ich noch gesondert berichten, ich habe sie kennen gelernt, als ich durch eine persönliche Einladung eines Funkfreundes, Feuerwehroffizier in der Leitstelle der „Pompier du Ciel“ (Wörtlich: Feuerwehrleute des Himmels) in Marginane/Marseille erleben durfte, wie sie üben, ihre Einsätze fliegen..

Überhaupt werden bei dieser Katastrophe zum ersten Male Fluggerät aller Art eingesetzt und ausprobiert..

Mittelschwere Hubschrauber der Bundeswehr und des Grenzschutzes (Bell UH 1 D, der sogenannte ‚‘Teppichklopfer‘‘ wie die „Puma“(Aluette) des Grenzschutzes und die Sikorsky der Bundeswehr schleppen Segeltuchbehälter mit Klappen im Boden, über den Brandherd und lassen das Wasser aus verschiedenen Höhen ab.. Der Erfolg ist teilweise beachtlich, teilweise zweifelhaft..

Ist die Höhe zu groß verteilt das Wasser sich zu sehr und kommt aufgrund der Hitze gar nicht erst an das Feuer heran, teilweise aber facht der Rotor der Hubschrauber das Feuer auch erst richtig an..

Es wird dann dazu übergegangen, Transall - Maschinen der Bundeswehr, Truppentransporter, mit großen Behältern auszurüsten. Über dem Brandgebiet zieht dann die Maschine in eine Hecklage und lässt das Wasser ab. Auch diese Methode weist soviel Nachteile auf, dass spätere Versuche damit abgebrochen werden. Dieses insbesondere, als ein Pilot seine Wasserlast nicht loswird und es bei der Landung fast zu einem Crash kommt.

Einen sehr großen Wert jedoch haben die Hubschrauber als schnelles Transportmittel für Gerät wie zum Beispiel Tragkraftspritzen und Schläuche und als Aufklärer..

Ein Hauptproblem ist ja die Wasserversorgung, wie viele Hunderte von Kilometern an Schläuchen über lange Strecken verlegt werden, ist mir nicht bekannt Ich glaube auch kaum, dass das einer genau sagen kann..

Nach diesem ersten Abenteuer fahren wir weiter und kommen endlich zu dem uns zugedachtem Waldgebiet, wo wir einsam und alleine auf weiter Flur stehen..

Schläuche liegen en masse herum, auch wassergefüllt, also muss diese Stelle wohl von einiger strategischer Bedeutung sein.

Zur Örtlichkeit: Direkt hinter uns ein großes Waldgebiet, noch nicht betroffen, welches praktisch von uns zu schützen ist, vor uns eine Art Wiese mit Knicks (kleines Gebüsch) und dahinter ein weiteres großes Waldgebiet, in dem es munter brennt.

Irgendwie habe ich ein sehr dummes Gefühl, das sollen wir halten??
Wie auch immer, abgesessen und zum ersten Male sehe ich mir unser Fahrzeug an, welches praktisch leer ist. Ein oder zwei Äxte, eine Bügelsäge, ein paar Schläuche und: Ein Buschmesser..

Das ist nun neu für mich, dass die mir später so bekannt gewordenen Pangamesser zur Ausrüstung eines TLF gehören. Offensichtlich haben die Kameraden der Schule schon vorher, als sie abrückten, dieses Schulungsfahrzeug „leergeplündert‘‘

Was soll es, die Pumpe hatten wir, Wasser auch, also an die Arbeit..

Das Feuer in dem vor uns liegenden Waldstück wird deutlich stärker und läuft auf uns zu, obschon der Waldrand noch dunkel ist..

Ich warne meinen hannoverschen Kollegen „Jogi“ und auch den Kollegen der Schule, dass wir uns langsam mal um einen Rückzugweg kümmern müssten, für den Fall der Fälle. ‘‘Quatsch, das Feuer kommt noch lange nicht..“

Dieses allerdings ändert sich praktisch und im Sinne des Wortes „schlagartig‘‘, als ich zum ersten Male in meinem Leben Bäume regelrecht explodieren sehe..

Dieser Wald ist der typische Heidewald, Kiefern und Birken, also vom Brennwert her hochwertiges Gut..

Ich sehe es und begreife es irgend wie nicht: Zwei weiße Birken werden fast abrupt braun und die Krone steht explosionsartig in Flammen. Und ich sehe zum ersten Male, wie Brandfackeln bis zu 50 Meter durch die Luft fliegen!

Jetzt wird es auch den beiden Kollegen klar, dass es allerhöchste Zeit sei, sich mit dem Gedanken eines Rückzuges vertraut zu machen, nur, es ist zu spät!

Links und rechts von uns, jeweils ca. 100 Meter entfernt, brennt nun auch der Wald in unserem Rücken, die „Straße“, auf der wir gekommen waren, ist nicht mehr passierbar.

Wir sehen uns an. Ich meinte, in den Augen der beiden Kollegen genau das zu sehen, was ich fühle:
Entsetzen und Angst und wären unsere Gesichter nicht so mit Ruß verkrustet, ich hätte mit Sicherheit festgestellt, dass wir bleich werden..

Hilfe rufen geht nicht, dieses Funkgerät hat nur einen Übungskanal der Schule
(Dieses ist eine der Erfahrungen dieser Katastrophe, die zu einer völligen Neuorientierung in der Katastrophenplanung führt, so etwas ist heute schlicht verboten )

Wasser ist weg, auch das noch, das Feuer hat uns unsere Schläuche weg gebrannt und das Fahrzeug fast leer..

Die Zeit wird bedeutungslos, wir stehen nur da, die Gedanken drehen sich im Kreise, suchen verzweifelt nach einem Ausweg, hoffen auf ein Wunder, - und das Wunder geschieht..

Plötzlich fliegt in einiger Entfernung ein Hubschrauber vorbei, wir sehen ihm traurig nach, bis er dann doch noch dreht und uns im Tiefflug passiert..

Dann geht alles relativ schnell, aus dem Wald hinter uns dröhnt es wie von Urgewalten und aus einem kleinen Waldweg, der gerade mal als Spazierweg anzusehen war, schiebt sich ein „Leopard“, ein Kanonenpanzer der Bundeswehr.

Noch heute kommen bei mir, höre ich irgendwo Panzerketten, die Erinnerungen hoch und die Erinnerungen gehen automatisch zurück an dieses Waldstück, von dem ich heute noch nicht einmal weiß, wo genau das passiert..

Der Panzer dreht nur einmal, der Kommandant fragt aus dem Turm heraus, was wir hier eigentlich machten?? Gute Frage! Ob wir denn nicht mitbekommen hätten, dass sich alle Fahrzeuge und Mannschaften da und da neu zu sammeln haben?? Noch bessere Frage!

Na ja, für lange Debatten haben wir keinen Sinn und noch weniger Zeit, der Panzer fährt den gleichen Weg zurück, armdicke Bäume in seiner Spur verschwinden im Match und wir fahren hinterher.

Kleinere Bäume, für den Panzer kein Hindernis, für uns schon, werden mit dem bewussten Buschmesser abgeschlagen, und weiter, weiter!

An der Sammelstelle will irgendein „Oberer“ den Lauten machen, unterlässt das aber wohlweislich, als er uns in die Augen sieht..

Ein paar Tage später hören wir die Geschichte der fünf Feuerwehrkameraden, die bei Leiferde/Gifhorn umgekommen sind.

Eine fast identische Geschichte. Sie kommen mit einem leeren Tanklöschfahrzeug auf einem Waldweg, der für Holztransporte der Forstwirtschaft vorgesehen ist und links und rechts vom Kiefernwald begrenzt wird und wollen offensichtlich wieder Wasser aufnehmen..

Plötzlich dreht der Wind, treibt das Feuer vor sich her und dieses überholt das Fahrzeug. Das TLF bleibt, aus welchen Gründen auch immer , stehen und die Kameraden versuchen zu Fuß zu flüchten. WIE die Kameraden aussehen, als man sie auf eine Länge von ca. 100 Meter verteilt findet, das zu schildern verbietet der Respekt vor den Toten..

Heute steht an der Stelle ein Gedenkstein und wer mal einen Ausflug, von Hannover kommend nach Gifhorn macht, der sollte da mal kurz abbiegen und dort, so ihm danach ist, ein kurzes Gebet sprechen.

Kurz darauf hören wir, dass ein Polizeibeamter tödlich verunglückt, als er einen Brandstifter verfolgt und sich dabei mit dem Streifenwagen überschlägt..

BRANDSTIFTUNG: Dieses ist ein besonders trauriges und unverständliches Kapitel in dieser Tragödie.. Zu dem Zeitpunkt dieses Feuers sitzen alleine sieben! Feuerwehrleute im Celler Gefängnis und man fragt sich, was in den Köpfen solcher Männer vor sich gehen mag.

Dieses soll nicht dem Vorurteil: Feuerwehrmann = oftmals Brandstifter Vorschub leisten..

Zuletzt sind es über 10.000 Helfer aller Organisationen an der Einsatzstelle, die alle bis zur absoluten physischen und psychischen Erschöpfung arbeiten. Da kann es nicht ausbleiben, dass der Bruchteil eines Bruchteiles nicht in den Rahmen passt..

Mir sind zwei symptomatische Fälle falschen Ehrgeizes bekannt: Wie schon angeführt bildet das Feuer keine einheitliche Front, sondern springt als eine Art von Inseln, vom Wind getrieben, völlig willkürlich mal hier hin und mal da hin..

Mitten im Brandgebiet liegen Dörfer, die vom Feuer verschont bleiben und deren Wehrführung völlig richtig entscheidet: Unsere Männer bleiben hier, wenn das Feuer kommt, dann brauchen wir sie hier und können sie nicht erst einsammeln..

Das wiederum ärgert nun einige „Helden“, die mit ansehen müssen, wie Tausende und Tausende um sie herum, um ihr Gebiet „Heldentaten“ verbringen (Haben sie nicht, sie haben schlicht, wenn auch über die Maße hinaus, ihre Pflicht getan!) und sie „dürfen“ nicht.. Also haben sich einige kranke Geister eben schnell ihr Feuer selber erschaffen..

Wir selber, die drei Kollegen der Besatzung TLF Schule Celle bleiben noch bis zum nächsten Morgen in Bereitstellung , ohne noch einmal wirklich eingesetzt zu werden..

Das gibt uns Gelegenheit, mit Kameraden und Kollegen anderer Städte zu sprechen, so z.B. mit den Berlinern.

Hier gibt es auch erst einmal Ärger, weil irgend ein Stratege den Verband aufstückeln und fahrzeugweise an diversen Einsatzstellen einsetzen will.

Der Einsatzleiter Berlin verbietet sich das schwer und sagt ganz klar: Gebt uns einen Abschnitt, den halten wir.

Erfahrungsgemäß soll man nicht mit Berlinern diskutieren, das können die besser und wo sie Recht haben, da haben sie Recht..

Interessant ist auch die Erfahrung der Berliner mit ihrer Alarmfahrt: Sie müssen diese bei der DDR-Grenztruppe anmelden und eine Transfer-Genehmigung abholen.

Für die damaligen Verhältnisse geht das relativ reibungslos, die Nummern der Funkgeräte werden aufgeschrieben und abgegeben, die Mikrofone der Funkgeräte abmontiert, die Blaulichter an der Grenze (bis dorthin fuhren die Berliner mit Alarm) werden mit Kappen abgedeckt, kurze Überprüfung auf Vollständigkeit der abgegebenen Liste von Fahrzeug. und Mannschaft und dann dürfen die Kollegen in normaler Fahrt bis Helmstedt fahren, wo sie sehr schnell abgefertigt werden. Danach Blaulichter wieder frei und alarmmäßig weiter nach Celle.

Wir selber sind wieder in die Schule abgerückt, von Pause keine Spur, die Küche hat mich sehr wieder. Schlaf wird durch Idealismus ersetzt, die Füße, sie brennen, sie brennen.

Plötzlich ein Ruf eines Kollegen: „Klaus, komm schnell, das MUßT DU Dir ansehen!“

Er rennt auf die Straße, ich kann mir nun wirklich nicht vorstellen, was es da so Interessantes zu sehen geben soll.

Es fegt eine LKW-Kolonne der englischen Armee vorbei, dass man glaubt, so etwas könne es nicht geben. Vorweg zwei Landrover mit „Rotkäppchen“ (englische Militärpolizei), Martinshorn und Blaulicht, aber von wegen Stop an der Kreuzung und sich sichern?? Keine Spur! Dass es da zu keinem Unfall kommt, das ist mir heute noch völlig ein Rätsel, das hätte Splitter gegeben.

Anzumerken ist, dass ich in den folgenden Tagen auf Grund meiner .Sprachkenntnisse als Dolmetscher diene, wenn es zu Koordinierungsmaßnahmen mit der Armee Ihrer Majestät kommt und da habe ich dann mal hinterfragt, was die so erschreckt habe??

Ganz einfach; Die haben ein Munitionslager mit 20.000 Schuss Artilleriegranaten geräumt, und das Feuer greift bereits auf den Zaun über. Da will die Feuerwehr so ungern hin..

Interessant ist auch, das die Bundeswehr erst mit Fluggerät eingreift, als irgend jemanden auffällt, dass auch sie große Munitionslager in der Heide haben, die den zivilen Stellen so gar nicht bekannt sind.

Viele Unzulänglichkeiten von Gerät und Ausrüstung stellen sich so langsam heraus:
Ein Teil unseres Lehrganges soll ein Altersheim schützen, bei dem bereits der Zaun brannte..

Auch hier nur acht Mann mit einem Löschgruppenfahrzeug mit Vorbaupumpe!

Nicht davon zu sprechen, dass man ihnen versehentlich Diesel statt des benötigten Ottotreibstoffes mitgibt, hier klappt der Funk und das wird schnell in Ordnung gebracht, einem Kollegen brennen die Sohlen seiner neuen Stiefel weg und er steht plötzlich barfuss in der Glut..

Es sind viele Abhandlungen und Untersuchungen geschrieben worden, welche diese Geschichte aufgearbeitet haben, viele unsachliche Presseberichte haben die Kollegen/Kameraden echt verärgert, aber es ist seit dem auch viel passiert.

Noch nie zuvor wurden Verbänden aller Organisationen eine solche Aufgabe gestellt und nie zuvor haben so Viele so unglaubliche Leistungen auf einmal erbracht..

Jetzt endlich setzen sich die Zuständigen an einen Tisch und planen, wie es besser zu machen sei.

Im darauffolgenden Jahr kommt es an fast gleicher Stelle wiederum zu größeren Waldbränden, die aber alle bereits in sehr kurzer Zeit bewältigt werden.

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