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Klaus Bethge, Isernhagen

Engländer in Hannover02.04.09 18:40
Engländer in Hannover

Ich weiß es noch wie heute: Mein Spezi „Jockel“ und ich jagen Wespen in einer Schule. Der wievielte Einsatz, wer weiß das noch, als ich über das Handfunkgerät gerufen werde: „Rufen Sie sofort Hausapparat 1501 an!“
Was das für eine Nummer ist, was ich ausgefressen habe, ich weiß es nicht (welchen Grund sonst sollte ein so eiliger Ruf haben?) Schlechtes Gewissen?? IMMER!

„Verstanden Florian“, Hausmeister, lass mich mal an das Telephon ran.
„Hxx“ „Hallo Lothar, hier ist der Klaus“

Lothar, ein Mann, den ich von Anfang meiner Dienstzeit an kenne ist inzwischen zum Stellvertretenden Stellenleiter des Vorbeugenden Brandschutzes avanciert und dienstlich habe ich an sich mit ihm zu der Zeit nichts zu tun.. “Mensch Klaus, prima, daß du anrufst, du musst sofort herkommen, ich bin in Druck!“ „Wat’n los??“

Folgendes ist passiert: Der Stellenleiter, der den Austausch mit Bristol organisiert ist in Urlaub, die beiden Kollegen, die das übernehmen sollten (zwei Amtsleute) ausgefallen, die Engländer fast im Anmarsch, noch nichts vorbereitet, also: Holland in Not!

„Lothar, pass auf, das hat keinen Zweck, dass wir das hier jetzt verhandeln, ich habe Rüstwagen-Tier (der läuft und läuft und läuft), ich komme morgen früh rein und wir nehmen uns Zeit“. „Mensch, Klasse“
Was tut man nicht alles für alte Kumpel (Will mir sowieso in der Stadt ein paar elektronische Bauteile kaufen, aber bitte jetzt nicht petzen)

Die Berufsfeuerwehr (BF) Bristol - oder besser: die County Fire Brigade AVON unterhält seit einigen Jahren in ständiges Austauschprogramm mit der BF Hannover.

Dieses soll möglichst vielen Feuerwehrangehörigen der beiden Wehren, vom einfachen Feuerwehrmann bis hin zum Führungsdienstgrad, einen Einblick in die Arbeitsweise und Ausbildung der anderen BF und damit einen internationalen Erfahrungsaustausch ermöglichen. Grundsätzlich besteht die Übereinkunft, dass die Betreuung vor Ort von den Kräften übernommen wird, die anschließend in die Partnerstadt fahren.
Wie auch immer, am nächsten Tag beim Lothar, Kaffee ist schon bereit (gastfreundlich ist er ja) und ganz kurz die Daten abgeglichen, damit man ein Grundgerüst hatte.

„OK, folgendes: Ich erstelle dir noch heute eine Liste mit möglichen Aktivitäten, dann eine Art Fragebogen, die wir nach Bristol faxen, mit Fragen, für was die sich besonders interessieren, mehr können wir im Moment nicht tun!“

Lothar war begeistert, ich habe meine Tagesbeschäftigung, am nächsten Morgen wiederum ein kurzes „sit in“ „Das ist gut, das wird schwierig, aber das und das könnten wir noch anbieten!“
(Geneigter Leser, liebe Leserin, wissen Sie nun, warum HBM (Hauptbrandmeister) in Hannover wie folgt buchstabiert wird?
H annovers B este M änner?))

Dann geht an sich alles sehr schnell, ich rufe meinen Freund Carsten, den Kollegen, der mit mir in der Afrika-Geschichte zusammen arbeit, an: “Hilfst Du mir??“ „Klar doch!“, in die Kantine, einmal in die Runde geschaut, wer da noch so an geeigneten Leuten sitzt, einem Kollegen mitgeteilt, dass er als Freiwilliger eingeteilt sei, FAX geschrieben und abgesandt, und das war es an sich schon!

Lothar hat inzwischen bei dem BvB (Beamter vom Bereitstellungsdienst) angerufen und Wagen und Unterkunft bestellt, also auch das Thema vom Tisch..

Ich beschäftige mich innerhalb der BF seit fast 20 Jahren mit der Betreuung und ausländischer Kollegen, habe da die tollsten Dinger erlebt, aber in den letzten zwei oder drei Jahren einen sehr positiven Wandel festgestellt..

Hatten früher die Kollegen den Gästen oftmals gegenüber, drücken wir es höflich aus, eine „kritische Haltung“ eingenommen, so muss man jetzt mit unter auf die Bremse treten, den Kollegen, die sich auch mit den Ausländern treffen wollen, sagen, dass das Programm bereits übervoll sei..

Dieser Wechsel in der geistigen Haltung ist mit Sicherheit auch ein Generationsproblem: Bei den älteren Kollegen kann man auf weit weniger Verständnis rechnen als bei den Jungen, die doch meistens schon mal im Ausland waren oder durch Sport und andere Aktivitäten erfahren haben, wie interessant es ist, sich mit anderen Kulturen auseinander zu setzen.

Die BF Hannover hat sich zwischenzeitlich merklich verjüngt.
Keiner lernt aus, auch ich nicht. Gerade ein übervolles Programm, erstellt im Willen, den Gästen möglichst alles zu zeigen, stellt einen Mangel dar, der jetzt mit dem Fragebogen nach Interessen behoben wurde..
Eines muss gesagt werden: So eine Betreuung ist Knochenarbeit, Feierabend, man kann nur hoffen, dass die Gäste vor einem müde werden (kann man in Grenzen steuern), Wochenende stehen ganz im Zeichen der Gäste und wohl dem, der eine verständnisvolle (hab ich! An dieser Stelle meinen Dank an sie!) Ehefrau hat..
Ein Kollege brachte es mal so nett auf seinen Punkt: „ Herumfahren und ein wenig quatschen , das kann ich auch!“ Na bitte, jetzt weiß ich es..

Wir erfahren dann durch Rückfax, dass
die beiden Kollegen aus Bristol einmal der „Senior Instructor“ der Ausbildungsabteilung ist, also besonders anspruchsvoll zu betreuen, und ein junger Feuerwehrmann mit einem halben Jahr aktiven Dienstes. (Es gibt unglaubliche Zufälle, der ältere Kollege hat seine Kindheit in Blantyre/Malawi verbracht, was haben wir zu lästern und zu erzählen!)

Ankunft bereits eine Woche später, das heißt jetzt das Programm endgültig festzuklopfen, was aber nicht schwierig ist, da die meisten unabdingbaren Aktivitäten wie Besuch der Ausbildungsabteilung, Lehrvorführung des Gefahrgut-Zuges, Besuch bei den Hildesheimer Kollegen, die uns zu dem Eisenbahnrettungszug für die ICE-Strecke führen etc. fester Teil eines jeden Austausches sind..

Notfalls können wir auch mal mitten im Fluss die Pferde wechseln, Siegfried, der Oberbeamte, der die Personalplanung der BF leitet hatte bereits signalisiert: „Was ihr braucht, das bekommt Ihr!“
Mit auf dem Plan übrigens steht auch ein Besuch bei der Landesfeuerwehrschule Celle, dort ein neuer Schulleiter, sehr jung, sehr agil und sehr offen..

Einer seiner alten, inzwischen pensionierter Ausbilder, der sich als Hobby Stadtführungen in Celle ausgesucht hat wird gebeten, uns anschließend herumzuführen, was er in phantastischer Weise macht..
(Ich stelle bei dem Besuch fest, dass ich dort offensichtlich wirklich bleibende Erinnerungen hinterlassen hatte..)

Zurück zum dem Programm: Zu unserer großen Überraschung bittet der junge Kollege, er möchte doch mal auf dem Rettungswagen mitfahren.

Das war was für meinen Carsten, eine Nacht auf dem Notarzteinsatzfahrzeug, zwei Nachmittage auf dem RTW, während ich mit dem älteren Kollegen in die Verwaltung, den Vorbeugenden Brandschutz und die Abteilung Technik gehe..

Ich muss hier die Kollegen loben: Sie zogen alle voll mit.
Was die englischen Kollegen in Bezug auf den RTW sehr verwundert war, dass bei uns jeder Feuerwehrmann auch gleichzeitig Rettungsassistent ist.

Zu diesem Thema mehr im Folgekapitel, nur soviel: Sie halten es für unmöglich, gleichzeitig zwei so anspruchsvolle Tätigkeiten wie Rettungs– und Brandschutzdienst gleich gut bewältigen zu können..
Ich stelle fest, dass viele unverstandene Dinge auf Missverständnissen beruhen. Oftmals wurde auch einfach nur falsch übersetzt. Nicht alle Kollegen sprechen gleich gut die fremde Sprache.

So lese ich den Bericht eines sehr rankhohen Offiziers, der uns zuvor besuchte, und stelle fest, dass er da drüber rätselt, was die BF mit der Eisenbahn zu tun habe.

Hintergrund war: Ein anderer Kollege hat ihm unser Einsatzschema „Löschzug“ erklärt und fälschlicherweise das englische Wort „ Zug = TRAIN“
verwendet.

Die deutsche Doppelbedeutung Zug gleich Formation als auch Eisenbahn ist aber im Englischen geteilt, hier wäre „Platoon“ richtig gewesen. Nur: Von wem will man verlangen, das zu wissen??

Dieses Problem habe ich gelöst, indem ich eine Liste von ca. 300 Fachbegriffen erstelle, die nun jedem Kollegen, der sich mit einer entsprechenden Aufgabe befasst, an die Hand gegeben wird.
Desgleichen übrigens auch für den Rettungsdienst und für den Brandschutz Französisch .

Gerade die Einsatzart „Löschzug“ führt bei unseren Gästen zu großer Verwunderung, sie fahren fahrzeugweise und meinen, dass wir oftmals mit unseren Personalresourssen verschwenderisch umgehen würden. Sie können zum Beispiel nicht einsehen, warum die Drehleiter zu einem Einfamilienhaus fahren müsse??

Mein Einwand, dass das der Wassertrupp sei, lassen sie nicht gelten, dann könne man eben, so man es brauche, ein zweites TLF nachalarmieren!

Erst der Einwand eines Kollegen, dass die DL Gerät wie den Generator und den Lüfter mit sich führt, bringt dann eine gewisse Einsicht..

Bei der Übung „Gefahrgut“ jedoch können wir ihnen sehr schnell klarmachen, wie man an die Personalgrenzen stößt, will man alle möglichen Gefahren abdecken, wie sie bei explosiven Chemikalien entstehen

Ebenso verwundert hat sie unsere Methode, vom Fahrzeug weg mit B-Leitung und Verteiler zu arbeiten, sie gehen mit jeder Schlauchleitung einzeln vom Fahrzeug zur Einsatzstelle. Wir haben das ausgiebig diskutiert, aber das ist ja auch der Sinn, andere Methoden zu erleben..

Lachen müssen sie, als sie mich fragen, warum wir an der Einsatzkleidung keine Dienstgradabzeichen trügen und ich antwortete: „Wozu? Wir kennen die doch alle!“
Leider läuft während dieses Besuches gerade kein Grundausbildungslehrgang, so dass wir dem Ausbilder nur die Lehrpläne erläutern können. Was ihn aber begeisterte und er auch in Bristol einführen will, das ist unser Ausbildungs-TLF..

Hierzu folgendes: Wenn die Anwärter einen gewissen Ausbildungstand erreicht haben, dann werden sie vier Wochen lang auf die verschiedenen Wachen verteilt und dort auf ein eigenes Fahrzeug gesteckt, wo sie unter Leitung eines erfahrenen Ober- oder Hauptbrandmeister zu jedem Einsatz mitfuhren und auch helfen durften, aber nur bis zum Verteiler. Dieses hat versicherungstechnische Hintergründe..

Was die Briten verwundert ist die viele Zeit, welche die Feuerwehrleute in Werkstätten verbringen, statt Ausbildung zu treiben.. Hier habe ich ernsthafte Erklärungsnöte, weil ich ihnen leider zustimmen muss. Ich denke da mit Grauen an eine völlig verpatzte Schiebleiterübung, wo prompt das „Siehste, hab ich es nicht gesagt?“ kommt.

Hat sich inzwischen gründlich geändert, Fortbildung nimmt jetzt einen sehr großen Teil der Zeit ein.
Unsere Atemschutzübungen in der Strecke finden sie schlicht erheiternd (sie machen weit mehr praxisbezogene Übungen. Die endlose Leiter wird etwas sarkastisch als „Hamsterrennen“ bezeichnet, wiederum aber finden sie die ärztliche Überwachung auf Atemschutztauglichkeit als sehr gut, daran mangelt es in England leider sehr..)

Ja, und einen Tag werde ich mein Leben nicht vergessen: Wir sind im Rathaus, eingeladen beim Dezernenten, als mein Pieper ging und mein Freund Siegfried, der Leiter der Personalplanung, funkt, ich möge bitte sofort zurück rufen..

Ein Wort zu Siegfried: Hochgedient vom einfachen Feuerwehrmann, jetzt Oberamtsrat, ehemaliger Personalratsvorsitzender, der auch alle politischen Persönlichkeiten mit Vornahmen anredet, der alle aber auch alle Tricks kennt (weil er sie alle selber ausprobiert hatte), an sich ein herzensguter aber knallharter Vorgesetzter. Wer sein Freund ist, (und das war gar nicht schwer, man muss nur Einsatzwillen und Engagement zeigen, was er leider auch auf das sportliche Engagement ausdehnt und damit, etwas, was ich ihm als Einziges heute noch übel nehme, ungeeignete Charaktere fördert), der kann auf seine Unterstützung rechnen. Ich kann es, was ihn nicht hindert, mich mal gewaltig in den Popo zu treten.

Wer allerdings versucht, ihn „vorzuführen“, der ist auf der dunklen Seite des Lebens..
Also Siegfried lässt mich anrufen und bestellt uns, nachdem er hört, dass heute „leichtes Programm“ angesagt sei auf die Wache 4, wo die BF ein Sozialgebäude hat, etwas außerhalb der Wache, welches für das Sozialleben (Feiern) gedacht ist.

Er wolle sich doch auch mal mit den Gästen unterhalten..
Nun ja, angekommen, stehen da Berge von Bockwürstchen auf dem Tisch, und auch Bier.. Ich darf da mithalten, weil ich keinen Einsatzdienst habe, ansonsten hätte das ein Disziplinarverfahren gesetzt!
Wir klönen und trinken und essen, ich kann nicht mehr, als er sagt, jetzt müssen wir zum “Griechen“, der Chef kommt auch, wir müssen ja schließlich mal Mittagessen..

Die Gäste schauten mich an, ich schaute gegen die Decke und stöhnte nur noch.
Beim Griechen, das schafft doch kein Mensch, jedenfalls nicht ohne
zur Hilfenahme von Ouzo..

Das geht so bis ca. 16.00h, die Stimmung ist gelockert, als der Chef fröhlich verkündet: „Heute Abend Gäste beim Oberbürgermeister auf dem Schützenfest!“ (Übrigens der Welt größtes Schützenfest)
Hier mucke ich auf, Siegfried, wie soll ich nach Hause kommen, ich muss mal etwas Ruhe haben, und autofahren ist nun wirklich nicht mehr. „Dummer Bengel, haben wir keine Fahrer?“ „Geht das denn??“ Der Blick, den ich jetzt ernte, der hätte mich töten können!

Na ja, der Abend, liebe Leser(innen), lassen ie mich dieses Kapitel mit einem afrikanischem Wort schließen: „what happens in the bush shall stay in the bush.!“ („Was im Busch passiert, das muss im Busch bleiben!“)
Angesprochen werde ich in England auf diese Geschichte des öfteren..

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